Frankfurt/Main (dpa)
Die Frankfurter Flughafenklinik ist laut Fraport die größte ihrer Art. Kranke aus aller Welt landen hier. Passagiere brauchen Hilfe vor dem Abflug. Und über allem schwebt „das Damoklesschwert Notfall“.
Nicht immer sind es die großen Katastrophen, die die Mitarbeiter der Flughafenklinik auf Trab halten. SARS, Ebola, Vogelgrippe - bei solchen Epidemien rückt die Notfallambulanz an Deutschlands größtem Flughafen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Im Routinebetrieb ist der medizinische Alltag hier weniger spektakulär - aber spektakulär vielfältig.
Eine Frau etwa, die am Gepäckband ihr Kind zur Welt bringt. Verletzte Skifahrer, die auf einer Trage liegend auf ihren Weiterflug warten.
Ein Passagier mit Flugangst, der seine Beruhigungsmittel zu früh nimmt, den Flug verpasst und statt am Urlaubsort am nächsten Tag in der Klinik wieder aufwacht. Langweilig werde es hier nie, sagt Michael Sroka, Chef der Notfallambulanz.
„Der Herzinfarkt ist der gleiche, aber das Setting ist ein anderes“, erklärt Sroka: Wenn der Patient in einem Flugzeug sitzt, wenn er nur Chinesisch spricht, wenn sich dadurch der Flieger verspätet und alle anderen Passagiere stundenlang im Nachtflugverbot festsitzen. Sroka (44) liebt die Abwechslung, und er liebt Flugzeuge. Auf 150 000 Flugmeilen kommt er im Jahr, drei Weltreisen hat er schon gemacht.
Laut Fraport ist die Frankfurter Flughafenklinik die größte der Welt.
Zwischen 30 000 und 50 000 Patienten zählt das Team pro Jahr: Fluggäste, Besucher, Flughafen-Mitarbeiter und bisweilen auch die Opfer eines Verkehrsunfalls am benachbarten Autobahnkreuz.
Sanitäter bringen eine 82-Jährige mit gebrochenem Arm. „Wir wollten nach Mallorca“, erzählt die alte Dame. Im Mannheimer Bahnhof sei sie rückwärts die Rolltreppe hinabgestürzt, im Zug wurden die Schmerzen schlimmer, statt zum Check-in brachte ihr Mann sie in die Ambulanz. Sie bekam einen Gips und den Rat, ins Krankenhaus zu fahren. Länger bleiben darf hier ohnehin niemand. „Wir haben ja immer das Damoklesschwert Notfall über uns schweben“, sagt Sroka.
In einem der Behandlungsräume wird einer Frau aus Ulm gerade der blutende Finger verbunden. Petra B. und ihr Mann haben die Tochter zum Flughafen gebracht. Im Auto hat sich die Mutter in den Finger geschnitten. Die Airport-Apotheke hat sie in die Klinik geschickt.
„Ich will nur, dass jemand draufschaut, bevor wir zurückfahren.“ Draufschauen müssen die Mitarbeiter auch, wenn die Fluggesellschaft Zweifel hat, ob der Passagier flugtauglich ist oder zu krank; ob das Fieber, das die Mitreisenden ängstigt, von Grippe herrührt oder von einer hochgefährlichen Infektionskrankheit.
Anabella (21) aus Gießen kommt gerade aus Brasilien. Sieben Monate hat sie dort studiert, am Tag vor dem Rückflug bekam sie Bauchschmerzen. Jetzt steht die Studentin mit Riesenkoffer und Travel-Rucksack vor der Anmeldung und wartet auf ihre Untersuchung.
Auch nebenan sitzt ein Student: Tim (24) aus Darmstadt will nach Kolumbien und muss gegen Gelbfieber geimpft werden. Das ginge auch woanders, „aber hier kann man ohne Termin kommen“.
Geöffnet ist sieben Tage die Woche, 24 Stunden lang. Neben der Notfall-Ambulanz und den Notarzt-Einsätzen, die von hier aus gesteuert werden, hat die Flughafenklinik noch eine dritte wichtige Aufgabe: Katastrophenschutz. Das könnte ein Flugzeugabsturz sein oder ein gefährlicher Erreger, der über den Flughafen eingeschleppt wird. Einsatzpläne für ein „Desastermanagement“ liegen in der Schublade.
In mannshohen Schränken liegen „Bio-Notfallsets“ für eine „Infektionslage“ bereit: Schutzanzüge, Brillen, Filtermasken, Handschuhe, Schuh-Überzieher. Im Routinebetrieb liegen in den Isolierräume Patienten mit Magen-Darm-Infekt oder Masern, damit sie weder das Personal noch andere Patienten in der Klinik anstecken.
Was die Ärzte sich wünschen: „Die Passagiere sollten vernünftiger sein“, sagt Sroka. Nicht jeder alte Mensch sei in der Lage, einen Langstreckenflug gut zu überstehen. Und wer schon beim Einsteigen kaum noch geradeaus gehen könne, sollte besser nicht im Flieger weitertrinken.