Seit 175 Jahren steht der Name Braun Melsungen für Medizin und Medizintechnik. Mittlerweile ist das Familienunternehmen ein Konzern mit Milliardenumsatz, doch angefangen hat alles mit einer kleinen Apotheke.
In der Medizintechnik häufen sich die Megafusionen und -übernahmen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der US-Konzern Medtronic seinen irischen Wettbewerber Covidien schlucken will - für die immense Summe von rund 42,9 Milliarden Dollar (31,7 Mrd Euro). Unbeeindruckt von solchen Transaktionen ist die B.Braun Melsungen AG. Als Familienunternehmen, das seit 175 Jahren besteht, wird es von diesem Fusionskarussell nicht erfasst. Die Nordhessen haben den Aufstieg zu einem Konzern mit Milliardenumsatz geschafft und wollen ihre stabile Struktur nicht aufs Spiel setzen.
"Bei einem Privatunternehmen gibt es oft nicht die Möglichkeit, es zu übernehmen. Häufig haben die Eigentümer nicht die Absicht, zu verkaufen", erklärt Analyst Stefan Wimmer vom Bankhaus Metzler in Frankfurt. B.Braun sei ein wichtiger Konkurrent börsennotierter Unternehmen und werde ähnlich geführt wie ein börsennotierter Konzern. "Nur die Anteilsstruktur ist eine andere."
"B.Braun war und ist ein Familienunternehmen, in dem es auch Familienmitgliedern immer wichtig war, Verantwortung zu übernehmen und das Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben", sagt Firmenchef Heinz-Walter Große. Nach fast einem halben Dutzend Generationen von Brauns ist er der erste Nicht-Braun an der Spitze des Unternehmens.
Groß geworden ist B.Braun vor allem unter Ludwig Georg Braun. Der frühere Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) stand bis 2011 rund 34 Jahre lang dem Unternehmen vor. Zu Beginn waren es noch etwa 3000 Mitarbeitern und rund 517 Millionen D-Mark Umsatz. Er baute B.Braun zu einem Konzern mit Milliardenumsatz und Zehntausenden Mitarbeitern aus.
Seit 2011 setzt Große den Wachstumskurs seines Vorgängers fort. Unter ihm knackte der Konzern 2012 erstmals die Marke von fünf Milliarden Euro Umsatz. 2013 kletterten die Erlöse um knapp 122 Millionen auf 5,17 Milliarden Euro. Unter dem Strich wuchs der Konzerngewinn auf 315,5 Millionen Euro (2012: 288,6 Millionen Euro), das beste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte. Für 2014 prognostiziert der Vorstand ein erneutes Umsatzplus zwischen drei und sieben Prozent.
B.Braun gehört zu den weltweit agierenden Medizintechnikherstellern, einer der größten Konkurrenten sitzt ebenfalls in Hessen. Der Dax-Konzern Fresenius aus Bad Homburg stellt Produkte für Dialyse, Generika oder auch Infusionslösungen her. Er betreibt Krankenhäuser und Dialysekliniken. Die Tochter Fresenius Medical Care, ebenfalls im Börsen-Leitindex Dax vertreten, erwartet für 2014 ein Umsatzwachstum von vier Prozent auf rund 15,2 Milliarden US-Dollar (heute 11,2 Mrd Euro). Fresenius und B.Braun haben zuletzt mit harten Bandagen um die Rhön-Kliniken gekämpft. Fresenius konnte wie gewollt einige Häuser übernehmen, Ludwig Georg Braun sitzt nun im Rhön-Aufsichtsrat.
Vor genau 175 Jahren hatte Julius Wilhelm Braun mit der Rosen-Apotheke in dem nordhessischen Städtchen angefangen. Am 23. Juni 1839 kaufte er die Apotheke und legte damit den Grundstein für den Konzern mit Niederlassungen in 61 Ländern und 50 000 Mitarbeitern weltweit. Mittlerweile stellt B.Braun unter anderem Spritzen, Nährlösungen und Pflaster her, aber auch Infusionspumpen und 3D-Operationsgeräte. Mit der "Braunüle" ist der Firmenname als fester Begriff für eine Dauerkanüle in den Mediziner-Jargon eingegangen.
Das Unternehmen habe den Fortschritt in der Medizin mit vorangetrieben, betont B.Braun-Chef Große. Die Strategie auch für die Zukunft sei: "Neue Märkte zu erschließen und sich nicht von einer Region abhängig zu machen, um auf diese Weise Krisen besser trotzen zu können."
Den "Braunianern" wird ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl nachgesagt. "B.Braun ist ein guter Arbeitgeber. Es gibt Tarifverträge, einen Betriebsrat und eine gute Sozialpartnerschaft", sagt Friedrich Nothhelfer, Leiter des Bezirks Kassel der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Vor Jahren rang B.Braun seinen Mitarbeitern am Stammsitz Mehrarbeit ab, sonst sollte die Produktion nach Spanien verlegt werden. Der Zukunftssicherungsvertrag - die Mitarbeiter müssen bis zu 40 Stunden pro Woche arbeiten, dafür werden sie am Erfolg beteiligt, und betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen - läuft in diesem Jahr aus. Über einen neuen Vertrag wird verhandelt. "B.Braun ist ein harter, aber sehr fairer Verhandlungspartner", sagt Gewerkschafter Nothhelfer.