Ein Studium, noch dazu ein Fernstudium neben dem Beruf, ist eine riesengroße Chance: auf Bildung, auf Karriere, auf zumindest perspektivisch mehr Geld im Portemonnaie – aber es ist auch eine mindestens ebenso riesengroße Herausforderung. Denn bevor man nach der bestandenen Abschlussprüfung stolz, erleichtert und voller Vorfreude in die berufliche Zukunft blicken kann, warten jede Menge Arbeit, persönliches sowie finanzielles Engagement und in den meisten Fällen auch die eine oder andere Sinnkrise auf die Studierenden. Wie vermeidet man bei der Doppelbelastung Studium und Beruf eine permanente Überforderung? Wie geht man mit etwaigen Tiefpunkten um? Welche Strategien können dabei helfen, sich selbst (wieder) zu motivieren? Wir haben uns über diese Fragen mit jemandem unterhalten, der sich damit auskennt: Rebecca Römer aus Gießen, erst 23 Jahre alt, hat neben ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin den Bachelor-Studiengang Pflegemanagement absolviert – und konnte im vergangenen Monat zusammen mit zahlreichen anderen glücklichen Absolventen auf der großen APOLLON Abschlussfeier in Bremen den Hut werfen. Das klingt nicht nur beeindruckend, das ist es auch – aber einige Hürden hatte die hochmotivierte junge Frau mit der positiven Lebenseinstellung in ihrem Studium dennoch zu überwinden.
Frau Römer, schildern Sie bitte kurz Ihren Werdegang und Ihre momentane berufliche Situation.
Nach dem Abitur 2013 wollte ich eigentlich Zahnmedizin studieren, bekam aber keinen Studienplatz. Über ein Praktikum entdeckte ich dann meine Leidenschaft für die Pflege und im April 2014 begann ich mit der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Kurz danach kam der Bachelor-Studiengang Pflegemanagement an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft hinzu. Seit Ende der Ausbildung arbeite ich als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer pneumologischen Normalstation, habe vor Kurzem mein Bachelor-Studium erfolgreich abgeschlossen und mache derzeit nebenbei den Zertifikatskurs Ernährungsberatung an der APOLLON Hochschule.
Warum haben Sie das Fernstudium aufgenommen und warum haben Sie diesen Studiengang gewählt?
Ich hatte schnell gemerkt, dass mich die Ausbildung allein nicht zufrieden stellte. Mir fehlte der inhaltliche Input und ich hatte große Schwierigkeiten mit den starren Abläufen und Strukturen der Ausbildungsstätte sowie in der Berufsschule. Neben meinen Eltern hat mich dann auch noch einer meiner Lehrer zum Fernstudium motiviert, der anhand meiner vielen Fragen und Anmerkungen im Unterricht bemerkt hatte, dass ich im Pflegebereich mehr erreichen konnte und wollte. Im September 2014 habe ich dann das Bachelor-Fernstudium begonnen, das mir als eine sinnvolle Ergänzung meiner Ausbildung erschien.
Mit welchen Gedanken haben Sie das Studium begonnen? Ausschließlich positiv und motiviert oder gab es auch Sorgen und Ängste? Wie sind Sie damit umgegangen?
Auf der einen Seite war ich voll motiviert, gespannt und voller positiver Erwartungen. Ich habe mich total auf den Wissenszuwachs und die Herausforderung gefreut. Auf der anderen Seite gab es natürlich auch Sorgen rund um Fragen wie: „Schaff ich das? Schaff ich das Ausbildungsexamen? Wem erzähle ich von dem Studium?“ Die sehr verständnisvolle und individuelle Beratung durch den Studienservice konnte mir aber viele Ängste schon im Vorfeld nehmen.
Inwiefern hat Ihnen die Frage nach dem „Wem erzähle ich davon?“ Sorgen bereitet?
Meine Lehrer auf der Berufsschule hatten selbst zum großen Teil nicht studiert und hätten mein Studium neben der Ausbildung wohl eher misstrauisch bis argwöhnisch beäugt – oder mich vielleicht noch zusätzlich unter Druck gesetzt. Im Krankenhaus habe ich es zum Teil erzählt und bekam durchaus auch negatives Feedback. Bemerkungen von Vorgesetzten zum Beispiel, die mir unterstellten, ich wäre „zu schlau zum Waschen“, ich sei „Konkurrenz“ oder ich würde ihnen in ihre Dienstpläne hineinreden. An anderen Stellen, auch im Krankenhaus, wurde ich auch toll unterstützt und ermutigt. Aber ich habe oft lieber nichts von meiner „Nebenbeschäftigung“ gesagt, um Ressentiments zu vermeiden und einfach in Ruhe gelassen zu werden. Nichtmal meinen Freundinnen habe ich anfangs vom Studium erzählt.
Wie sind Sie mit der Doppelbelastung Berufsausbildung plus Studium zurecht- gekommen?
Besonders schwierig gestaltete sich für mich immer wieder die Vereinbarkeit von Präsenzphasen oder Klausuren im Studium mit meinem völlig unvorhersehbaren Einsatzplan als Auszubildende. Im Rahmen der Ausbildung wechselte ich alle paar Monate die Station im Krankenhaus – meine Planungssicherheit variierte dementsprechend von Station zu Station, die in dieser Hinsicht ganz unterschiedlich aufgestellt waren. Oft wurde ich vom Dienstplan einfach überrascht, frei planbaren Urlaub gab es auch nicht. Bei bestimmten Seminaren mit Präsenzpflicht an der APOLLON Hochschule, die ich unbedingt machen wollte und für die ich mich im Vorfeld schon lange angemeldet hatte, musste ich mir jedes Mal Sorgen machen, es zeitlich wegen meiner Ausbildungsverpflichtungen dann doch nicht zu schaffen. Glücklicherweise hat am Ende aber immer alles ganz gut geklappt. Während einer besonders anstrengenden Ausbildungsstation habe ich allerdings nach Rücksprache mit dem APOLLON Studienservice auch eine Studienpause einlegen müssen – damals wurde mir die Doppelbelastung einfach zu viel. Eine weitere Pause folgte dann kurz vor meinem Ausbildungsexamen – darauf wollte ich mich voll und ganz konzentrieren, um einen guten Abschluss zu bekommen. Zum Teil hatte ich nämlich während der Ausbildung durchaus die Berufsschule etwas vernachlässigt und schlechte Noten bekommen – das führte auch zu unangenehmen Gesprächen mit dem Klassenlehrer, der ja von meinem Studium nichts wusste und mich nur für „faul“ hielt.
Wie haben Sie Hürden im Studium bewältigt?
Bei Problemen wie zum Beispiel Motivationstiefs hat es mir immer sehr geholfen, Kontakt zu anderen Studierenden zu suchen. Ich habe manchmal einfach im Forum geschrieben, was ich gerade mache, wo ich im Studium stehe, was gerade mein Problem ist. Oder auch Fragen gestellt und um Austausch gebeten. Meistens hat man sich online kennengelernt und dann später zum Teil viel telefoniert, in eigenen Chatgruppen getextet und sich dann manchmal auch getroffen, zum Beispiel beim Frankfurter Stammtisch, bei dem ich sehr aktiv war. Oder ich habe mich mit Kommilitonen zu Präsenzseminaren verabredet. Die Vernetzung und das damit zusammenhängende „Du bist nicht allein“-Gefühl war für mich immens wichtig. Das galt sowohl für inhaltliche Fragen zum Studium als auch für persönliche Krisen, die jeder zwischendurch mal hat. Wir APOLLON Studierende haben zwar alle unsere eigene Geschichte, aber dennoch sitzen wir ja in einem Boot, was das Fernstudium angeht. Gegenseitiges Feedback ist sehr hilfreich, ich konnte sogar meine Noten verbessern, weil ich durch das Gespräch mit anderen nach und nach gelernt habe, worauf es inhaltlich ankommt. Und natürlich ist es auch eine Riesenunterstützung, wenn ein Kommilitone einen beispielsweise in einer Lern- und Lebenskrise motiviert und dir sagt: „Du schaffst das!“. Ansonsten hat es mir immer geholfen, Ruhe zu bewahren. Wenn mir alles zu viel wurde, habe ich mich aus der Situation befreit – wie zum Beispiel auch mit der bereits erwähnten Studienunterbrechung.
Wie haben Sie die Finanzierung hinbekommen?
Meine Eltern haben mich nicht nur zum Studium ermutigt, sondern auch die Finanzierung für mich übernommen. Dafür bin ich ihnen sehr, sehr dankbar! Aber natürlich baut das auch einen gewissen Druck auf: Schließlich wollte ich sie auf keinen Fall enttäuschen und hatte das immer im Hinterkopf.
Haben Sie spezielle Strategien für schwierige Studienzeiten entwickelt?
Ich habe eher Belohnungsrituale für mich entwickelt: Jede „1“ bedeutete beispielsweise einen Tag ungehemmt schlemmen, nach der Thesis-Fertigstellung und abgegebenen Hausarbeiten ging ich feiern und nach jeder Klausur aß ich Burritos und habe mir einen Shopping-Ausflug gegönnt.
In Ihrem APOLLON Profil findet sich das Motto „If you can’t find a way, create one”. Was hat es damit auf sich?
Das ist so etwas wie mein Lebensmotto. Es geht dabei darum, in sich selbst die Motivation zu finden, die Dinge einfach anzupacken. Gerade in der Pflege gibt es – durchaus auch zu recht – viele, die die gegenwärtige Situation beklagen. Aus meiner Sicht sollte man dann aber nicht in diesem „Jammertal“ verharren, sondern versuchen, etwas zu ändern. Der Spruch bezieht sich bei mir aber auf alle Lebensbereiche: Als mich die Ausbildung frustrierte, bin ich mit dem Fernstudium „ausgebrochen“. Ich war immer unzufrieden mit meinem Körper – während des Studiums habe ich dann erfolgreich damit begonnen, leistungsbezogen Fitnesssport zu machen und meine Ernährung umzustellen. Und 2016 habe ich mir nach etwa zwei Jahren Studium das Motto tätowieren lassen.
Haben Sie Tipps für Fernstudierende?
Neben dem Kontakt zu anderen Studierenden hat es mir auch sehr geholfen, die jeweiligen Dozenten anzusprechen, wenn ich Fragen hatte. Ob Literaturtipps oder Erläuterungen zu Fallaufgaben, die mir nicht auf Anhieb einleuchteten: Ich wollte immer alles ganz genau verstehen und Fragen hat mich meistens weiter gebracht. Wichtig ist es aus meiner Sicht auch, dass man Familie und Freunde hat, die einen unterstützen und Verständnis für die eigene Situation aufbringen.
Was hat Ihnen das Studium gebracht? Persönlich und beruflich?
Das Studium hat mir zunächst einmal auf jeden Fall dabei geholfen, die Ausbildung durchzuhalten, sonst hätte ich sie wahrscheinlich abgebrochen. Es hat mir unheimlich viel Selbstbewusstsein gegeben. Momentan mache ich neben meiner Arbeit im Krankenhaus noch den Zertifikatskurs Ernährungsberatung an der APOLLON Hochschule und überlege mir in Ruhe, wie es für mich weitergeht. Auf der persönlichen Ebene hat mir das Studium natürlich viele tolle neue Kontakte beschert und als Nebeneffekt die Liebe zur Stadt Bremen geweckt – ein baldiger Umzug ist nicht ausgeschlossen!
Autorin: Hayat Issa