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Die Liebe schwindet zuletzt - eine Frau pflegt ihren dementen Mann

Die Bundesregierung will mit der Pflegereform auch das Leben von Demenzkranken und ihren Angehörigen verbessern. Wie die Betreuung eines dementen Menschen Zuhause aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Stuttgart. Schlicht mehr Geld zu haben, löst nicht alle Probleme.

Stuttgart (dpa)

Die Bundesregierung will mit der Pflegereform auch das Leben von Demenzkranken und ihren Angehörigen verbessern. Wie die Betreuung eines dementen Menschen Zuhause aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Stuttgart. Schlicht mehr Geld zu haben, löst nicht alle Probleme.

Manchmal tanzen sie zusammen, wiegen sich im Takt von Oldies und Schlagern. Wir lieben uns innig“, sagt die 70-Jährige Irmgard Linskeseder aus Stuttgart. Sie streichelt die Brust ihres Mannes Karl, lehnt ihren Kopf an seinen. Karl, sag ja.“ Ihr Mann nuschelt: Joa.“ Sie lacht. Seine Mundwinkel schieben sich nach oben, seine Augen beginnen zu leuchten. Er ist hilflos, auf dem Stand eines Zweijährigen“, sagt sie. Der 76-Jährige ist seit rund 15 Jahren dement. Seine Frau pflegt ihn. Durch die zweite Stufe der Pflegereform kann sie auf mehr Geld hoffen. Wichtiger wäre ihr aber ein besseres Betreuungsangebot für schwer demente Menschen.

Das Kabinett in Berlin hat am Mittwoch das zweite Pflegestärkungsgesetz verabschiedet. Durch die geplante Änderung sollen unter anderem demente Patienten künftig den gleichen Zugang zu Pflegeleistungen haben wie körperlich behinderte. Der Psychologe Günther Schwarz schätzt, dass Betroffene bis zu 300 Euro mehr im Monat bekommen könnten. Er verfasst den Leitfaden zur Pflegeversicherung für die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG).

Die Organisation geht davon aus, dass rund 1,5 Millionen Demenzkranke in Deutschland leben. Davon wird schätzungsweise eine Million von Angehörigen und Pflegediensten Zuhause betreut.

Frühstück bei Linskeseders: Die Mitarbeiterin eines privaten Pflegedienstes ist bereits weg. Sie kommt jeden Tag eine Stunde, wäscht den 1,82 Meter großen Mann mit den kurzen grauen Haaren und zieht ihn an. Irmgard Linskeseder führt ihren Mann zum Tisch, setzt ihn vor seine Müslischüssel, stopft ihm den weißen Latz in den Kragen seines Hemdes. Wenn sie ihm den Löffel hinhält, öffnet er den Mund.

Zwischendurch spritzt sie ihm eine Flüssigkeit hinein - gegen seine Epilepsie. Die kleine, schmale Frau ist gelernte Familienpflegerin. „Das kommt mir jetzt zugute“, sagt sie.

Schon vor rund 20 Jahren fing Karl Linskeseder an, Treffpunkte zu vergessen, Dinge zu verwechseln. Da war er Mitte 50. Mit 63 Jahren erhielt er die Diagnose Demenz und gab seine Arbeit als Schreiner bei der Landespolizei auf. Vor sieben Jahren ließ seine Fähigkeit zu sprechen nach. Seit rund fünf Jahren hat Karl Linskeseder die höchste Pflegestufe drei. Die Anerkennung des Pflegebedarfs funktionierte problemlos, sagt seine Frau.

Weil sie ihn zuhause betreut, stehen ihr monatlich bis zu rund 3600 Euro für Unterstützung in der Pflege zur Verfügung. Trotzdem zahlt sie jeweils rund 400 Euro selbst dazu. „Wir haben immer gesagt, wenn mein Mann nicht Vermögen gehabt hätte, dann hätte ich mich ganz, ganz arg einschränken müssen“, sagt sie. „Das Vermögen ist jetzt so einigermaßen aufgebraucht.“

Drei Tage die Woche lässt Irmgard Linskeseder ihren Mann in einer Pflegeeinrichtung betreuen. Zur Gymnastik geht sie mittlerweile seltener, ihr kirchliches Engagement hat sie eingeschränkt.

Diplom-Psychologe Schwarz geht davon aus, dass Linskeseders künftig monatlich rund 300 Euro mehr bekommen werden. Nach seinen Schätzungen können bei häuslicher Pflege demenzkranke Menschen künftig 200 bis

300 Euro mehr erhalten, andere pflegebedürftige Menschen 100 bis 200 Euro. „Man kann sich mehr Hilfe leisten“, sagt Schwarz, der bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart arbeitet. „Im Pflegeheimbereich wird sich im Grunde nichts tun.“

Allerdings kritisiert er, die Rahmenbedingungen in der Pflege würden durch das neue Gesetz nicht verbessert. Pflegeleistungen würden durch die Kassen zu schlecht vergütet. „Pflege muss besser bezahlt werden“, sagt Schwarz. In einem Heim komme im besten Fall ein Pfleger auf sieben Bewohner.

Irmgard Linskeseder wünscht sich deswegen vor allem eine spezialisierte Wohngruppe für schwer demente Menschen in Stuttgart, in die sie ihren Mann eine Nacht in der Woche geben könnte. Eine Nacht, in der sie selbst ruhig schlafen kann. Sie hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, ihren Mann in einer regulären Pflegeeinrichtung betreuen zu lassen: Ungepflegt und in schlechtem Zustand sei er zu ihr zurückgekommen.

Kürzlich hatte sich Karl Linskeseder einen Infekt eingefangen, konnte nicht mehr selbst laufen. „Ich dachte, das ist sein letzter Geburtstag“, sagt seine Frau. Ihr Augen glänzen. Sie will ihren Mann bis zum Schluss selbst pflegen. Ein Heim komme nicht infrage.

„Einfach weil ich an ihm hänge.“

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